Umgang mit Rückschlägen (im Triathlon)
Um Weihnachten 2020: seit mittlerweile zwei Monaten leide ich unter akuter Sinusitis, zwei Monate ohne jeglichen Sport, Coronaeinschränkungen, Maskentragen, was die Beschwerden eher verschlimmert, ich bin übel gelaunt, nahezu depressiv...
Ich würde die damalige Zeit retrospektiv als die herausforderndste Periode in meinem ganzen Leben bezeichnen. Dennoch bin ich heute dankbar für das Erlebte. Warum, werde ich euch in den nächsten Minuten beschreiben. Vielleicht erkennt der ein oder andere sich ja wieder.
Fast meine gesamte Freizeit widme ich meiner großen Leidenschaft, dem Sport bzw. dem Triathlon. Hierbei geht es mir in erster Linie um Bewegung, da ich einfach einen großen Bewegungsdrang habe. Ein Tag ohne Training fühlt sich für mich immer komisch an. Dabei brauche ich nicht unbedingt harte Trainingseinheiten, im Gegenteil, lockere lange Einheiten in der Natur geben mir häufig sogar mehr Befriedigung. Zugegebenermaßen ist mir auch meine triathletische Leistung wichtig, allerdings eher sekundär. Meine Motivation für Triathlon fußt wirklich auf der Liebe zum Training und zur Sportart. Dementsprechend könnt ihr euch vorstellen, dass die Herbst- und Winterzeit 2020/21 für mich keine leichte war, so komplett ohne Training.
Wie ich Training liebe
Eine schwere, aber wichtige Zeit
Die ersten Tage der Krankheit im Oktober 2020 machte ich mich zunächst nicht verrückt. Erkältungen im Herbst sind ja völlig normal. Zwar litt ich bereits seit 2018 an diversen Nasennebenhöhlenentzündungen, die auch immer langwieriger wurden, bis dahin verheilten sie aber alle immer wieder. Nach zwei Wochen suchte ich einen Arzt auf, die Beschwerden wurden aber eher schlimmer, da das Antibiotikum falsch gewählt war. Also suchte ich einen weiteren Arzt auf. Auch dessen Therapiemethoden und Medikationen schlugen nicht an. Es ging mir zunehmend psychisch und physisch schlechter.
Ich begann, die Welt schwarz zu sehen. Ich hatte das Gefühl, dass die Welt sich gegen mich verschworen hatte, dass ich immer Pech habe, dass andere immer mehr Glück haben als ich, dass ich sportlich immer zurückgeworfen werde. Ich hatte Angst, nie mehr richtig gesund zu werden, nie mehr Sport zu machen, nie mehr einen Triathlon zu bestreiten. Ich hatte nur noch ein Ziel: endlich gesund werden und dann wieder Sport zu machen. Die körperlichen Leiden waren auszuhalten, die psychischen Leiden jedoch waren grausam. Ich lüge nicht, wenn ich hier schreibe, dass ich kurz vor einer Depression stand. Zum Glück konnte ich mich aber quasi in letzter Sekunde aus eigener Kraft aus dem Sumpf ziehen. Aber wie?
Ich erkannte nach einem Gespräch mit meiner Freundin, dass ich nicht mehr so weitermachen konnte, da ich durch mein Verhalten auch sie stark mit herunterzog. Mir wurde bewusst, dass der erste Schritt zur körperlichen Heilung die geistige Heilung war. Ohne einen halbwegs gesunden Geist gab es auch keine Möglichkeit zur physischen Genesung. Zunächst einmal versuchte ich, die Situation anzunehmen und mir einen Plan zu machen, wie ich wieder gesund werden würde. Sicher gab es immer wieder Rückfälle in das zuvor gezeigte Verhalten, im Gesamten war aber eine Veränderung zum Positiven zu erkennen. Mir wurde klar, dass ich einen vorübergehenden Ersatz brauchte für den Triathlon, der sonst meine ganze Freizeit ausfüllte. So entschied ich mich, dem Malen hinzugeben und fand daran durchaus Freude. Ich hatte wieder eine sinnvolle kreative Beschäftigung und kam allmählich heraus aus meiner betrübten Stimmung. Endlich hatte ich nach langer Zeit Erfolgserlebnisse, die mir wirklich gut taten.
Weiterhin richtete ich meinen Fokus zu der besagten Zeit immer mehr auf das, was ich hatte und weniger auf das, was ich nicht hatte, was wirklich hilfreich war. Parallel dazu arbeitete ich intensiv an meiner Genesung, der Voraussetzung für ein sportliches Comeback. Ich entschied mich für eine Nasennebenhöhlenoperation. Und tatsächlich ging es mir nach dieser zunächst einmal besser.
Ästhetik des Hässlichen...
Ab März konnte ich wieder mit Sport starten, hatte aber noch bis Mitte Mai aufgrund des langen Infektes, der sich im Krankheitsverlauf auf die Lunge ausgebreitet hatte, noch erhebliche asthmatische Probleme. Psychisch aber war ich wesentlich besser drauf. Einerseits, weil ich nach langer Durststrecke endlich wieder Triathlon betreiben konnte, wofür ich schlichtweg extrem dankbar war. Andererseits, weil ich merkte, dass mich die lange Krankheit mental stärker gemacht hatte. Insofern betrachte ich die fünfmonatige Sportzwangspause rückblickend als etwas Positives, da sie mich gelehrt hat, wie man mit Rückschlägen umgehen kann, sei es im Sport oder in anderen Lebensbereichen. Sie hat mich geprägt und mich in meiner Persönlichkeitsentwicklung gestärkt.
Höhen und Tiefen- März 2021 Fuerteventura
Nach jedem Tief kommt ein Hoch, nach jedem Hoch kommt ein Tief
Eine weitere Lehre, die ich aus der Leidenszeit zog, war, dass nach einem Tief auch immer ein Hoch kommt. Und so kam es, dass ich die Challenge Samorin 2021 trotz komplett verpasster Wintervorbereitung mit einer starken Performance in allen Disziplinen sehr erfolgreich bestreiten konnte. Warum das so war, ist zumindest für mich auch kein Rätsel. Ich war einfach nur dankbar dafür, in der Lage zu sein, Triathlonwettkämpfe bestreiten zu können, was einige Monate zuvor beim Wiedereinstieg ins Training schier undenkbar schien. Nicht meine starke Physis, sondern meine starke Psyche führte mich zu dem Erfolg. Auffällig ist auch, dass ich seit der schweren Zeit im Winter 20/21 bei Wettkämpfen viel besser in der Lage bin, alles aus mir herauszuholen, da mir viel mehr bewusst ist, dass jeder Triathlon auch mein letzter sein könnte, da man nie weiß, was kommt...
Zieleinlauf Samorin 2021
Wie einige von euch wissen, war meine erste Operation an den Nasennebenhöhlen nicht sehr erfolgreich, weshalb ich mich mit großen Hoffnungen auf dauerhafte Genesung ein zweites Mal in München operieren ließ. Nach erfolgreicher Operation fühlte ich mich zunächst 24 Stunden sehr gut, ehe ich auf einmal hohes Fieber entwickelte. Erneut hatten sich die Nasennebenhöhlen heftig entzündet und mir ging es nach der OP eher schlechter als zuvor. Auch psychisch fiel ich in ein kleines Loch. Dank der Vorerfahrungen aus dem Vorjahr ging ich aber schon besser damit um und vermied einige Fehler. Glücklicherweise hatte ich einen sehr guten und geduldigen Operateur, der mir versicherte, dass ich bald wieder Sport machen könnte. Zwar war ich wieder fast zwei Monate außer Gefecht, an meinem 30. Geburtstag fühlte ich mich aber plötzlich gesund und war der Überzeugung, wieder trainieren zu können. Und so kam es auch, ich konnte ein halbes Jahr durchtrainieren und hatte ein nahezu perfekte Vorbereitung für die Challenge Samorin 2022, bei der es aber deutlich schlechter lief als im Vorjahr. Ich hatte den Fehler gemacht, mich zu sehr auf meine Leistung zu fokussieren, anstatt einfach dankbar dafür zu sein, meiner Leidenschaft nachgehen zu können.
Radpart Samorin 2022, zu verkrampft
Jetzt sitze ich gerade an diesem Blogeintrag. Die letzten Wochen liefen alles andere als nach Plan. Ich lag zwölf Tage mit einer Nasennebenhöhlenentzündung flach, trainierte dann eine Woche und bin jetzt leider seit Donnerstagabend durch eine erneute Nasennebenhöhlenentzündung geschwächt. Aber ich merke richtig, dass ich endlich aus den Erfahrungen der Vorjahren gelernt habe. Ich bin weder schlecht gestimmt noch wird mir langweilig. Ich versuche, meine gesamte Energie in meine Genesung zu stecken und mich anderen Dinge in meinem Leben zu widmen. Beispielsweise habe ich heute die erste Unterkunft für mein Sabbatical gebucht oder verfasse gerade diesen Blogeintrag. Und auch für den Triathlon kann man etwas tun, wenn man mal nicht trainieren kann. Das Leben ist vielfältig, es gibt nicht den einen Weg, sondern immer wieder Umwege und Abzweigungen.
Und ist Triathlon eigentlich nicht genau das, was ich gerade beschrieben habe? Geht es im Triathlon nicht eigentlich darum, Hindernisse und schwere Phasen durchzustehen, um am Ende erfolgreich ans Ziel zu gelangen? In meinen Augen ist Triathlon ein Abbild des Lebens. Es gibt Höhen und Tiefen, die Höhen sind leicht, die Tiefen hingegen steinig und schwer. Wenn man diese Tiefen im Wettkampf oder im echten Leben jedoch bewältigt, wächst man ihnen und profitiert mehr als von den Höhen. Nichtsdestotrotz ist es sehr wichtig, die Hochphase entsprechend zu genießen und auszukosten.
Wenn ihr also gerade ebenso sportlich ausgebremst seid, sei es durch Erkrankung, Verletzung oder einen anderen Grund, solltet ihr nicht in Selbstmitleid zerfließen, sondern euch bewusst machen, dass auch wieder bessere Zeiten kommen und die sportliche Zwangspause keinen Weltuntergang verkörpert.
Im Folgenden möchte ich euch daher noch einige Tipps geben, wie man am besten Rückschläge verkraftet, da ich schließlich recht erfahren darin bin.
Meine 10 Tipps zum Umgang mit Rückschlägen (im Triathlon)
Nimm die Situation an, wie sie ist. Du kannst sie rückwirkend sowieso nicht ändern. Beeinflussen kannst du nur das Jetzt und in gewissem Maße deine Zukunft.
Zerfließe nicht in Selbstmitleid! Mache andere nicht für dein Leid verantwortlich!
Richte deine Gedanken auf deine Genesung! Gestalte dir einen Plan, wie du am schnellsten wieder fit wirst.
Bleib positiv! Es kommen wieder bessere Zeiten!
Suche dir eine neue, dich erfüllende Beschäftigung! (Malen, Sprache lernen, Blog, Kochen, Backen,...)
Widme dich Dingen, die sonst häufig auf der Strecke bleiben! Nimm dir mehr Zeit für deine Freund*Innen und deinen Partner oder deine Partnerin.
Mache dir bewusst, dass der Triathlon nicht die Welt ist.
Beschäftige dich mit Dingen im Triathlon, die dich auf andere Weise besser machen, für die du aber nicht trainieren musst (Materialoptimierung, Coaching, Ernährung, mentales Training, Trainings- und Wettkampfplanung)
Sei dir darüber im Klaren, dass deine sportliche Form schneller wieder zurück ist, als du denkst.
Freue dich darauf, dass du nach erfolgreicher Bewältigung des Rückschlags psychisch gestärkt aus der ganzen Sache herausgehst.
Ich würde mit Recht behaupten, dass einige dieser Tipps generell für die Bewältigung von Rückschlägen geeignet sind, weshalb ich im Triathlon in Klammern gesetzt habe.
Euer AF
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